Die Geschichte der Schottenkirche in Regensburg geht auf das Kloster St. Jakob, welches um 1090 von irischen Benediktinermönchen gegründet wurde, zurück. Der Legende nach machte sich eine Gruppe von Mönchen 20 Jahre früher auf den Weg von Irland nach Rom. Der Führer der kleinen Gruppe, Marianus Scotus, beschloss in Regensburg eine Pause einzulegen. Er wollte einen anderen irischen Mönch besuchen, den Einsiedler Mechterdach, der in einer Zelle in der Nähe des Obermünsters lebte. Die Mönche blieben in Regensburg und bekamen schließlich den Grund und Boden hier geschenkt, um ein Kloster zu errichten. Der Bau der jetzigen Schottenkirche mit ihrem berühmten Portal war um 1200 im Wesentlichen abgeschlossen, das Portal dürfte um 1185 fertiggestellt gewesen sein. Diese irischen Mönche wurden im Volksmund häufig „Skoten“ genannt, nach einem alten irischen Volksstamm. Deshalb bürgerte sich im Laufe der Zeit der Name „Schottenkloster“ ein.
Das Regensburger Schottenkloster erreichte noch im 12. Jahrhundert große Bedeutung: von hier aus wurden sieben weitere irische Benediktinerklöster in Süddeutschland gegründet. Nach Jahrhunderten der Blüte begann das Schottenkloster nach der Reformation zu verarmen, und viele Mönche verließen St. Jakob, bis schottische Geistliche in Rom darum baten, das Kloster übernehmen zu dürfen, was ihnen nach einigem Hin und Her auch gewährt wurde. Sogar der ehemalige Beichtvater der schottischen Königin Maria Stuart Ninian Winzet wirkte einige Jahre hier als Abt. Er liegt hier in der Schottenkirche begraben. Das Kloster erlebte so eine zweite Blütezeit, die bis ins 19. Jahrhundert dauerte. Da die Verantwortlichen des Klosters allesamt britische Staatsangehörige waren, entging St. Jakob 1803 zwar zunächst der Säkularisation. Allerdings wurde ihnen verboten, neue Novizen aufzunehmen und so aber da Carl von Dalberg die Aufnahme neuer Novizen verbot, ging das Kloster einem schleichenden Tod entgegen. Im Jahr 1862 löste Papst Pius IX. das Kloster auf. Seit 1872 beherbergen die Klostergebäude ein Priesterseminar.
Das Schottenportal, das seit 1999 aus konservatorischen Gründen von einem Glaskasten geschützt wird, zählt zu den bedeutendsten Werken der romanischen Skulptur in Süddeutschland. Die Frage, was hier alles dargestellt ist, wird unter Kunsthistorikern heftig diskutiert. Es gibt um die 70 Deutungsversuche. Wir stellen ihnen nun einen davon vor, der aber keineswegs der einzig Richtige sein muss.
Im Bogenfeld über der Tür sieht man Jesus Christus, links von ihm der Kirchenpatron und Apostel Jakob, rechts von ihm sein Bruder Johannes, der das Buch der Geheimen Offenbarung in der Hand hält.
Man kann die Portalwand in drei Ebenen gliedern. Ganz oben sieht man den sogenannten „oberen Himmel“. Hier ist ein Weltengericht dargestellt: in der Mitte sitzt Jesus Christus, zu seinen Seiten sitzen jeweils sechs Apostel. An den jeweiligen Enden sitzen zwei Heilige auf kleine Thronen: auf der linken Seite ist es Karl der Große, auf der rechten Seite der irische Heilige Patrick, der auf die Herkunft der Erbauer verweist.
Die nächste Ebene unter dem Weltengericht ist der „untere Himmel“. Hier sehen wir auf beiden Seiten des Portals vier Figuren. Auf der linken Seite sind dies die vier Himmelsrichtungen, auf der rechten Seite befinden sich die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft.
Die unterste Ebene stellt die Erde dar. Hier haben wir eine links vom Portal die „gute“ Seite, während die rechte Seite als die „böse“ Seite gilt. In der Mitte der guten Seite thront – heute leider kopflos – Maria mit dem Jesuskind. Sie verkörpert das Gute und Reine in der Kirche. Sie ist von Gestalten des Untergangs umgeben, die in einer gottlosen Welt nicht das Heil der Kirche gefunden haben: Der Drache unter der Marienstatue soll den Satan darstellen, der einen Löwen zerbeißt und mit seinem Schwanz eine biblische Gestalt, den Enoch, erdrückt. Die zweischwänzige Meerjungfrau soll die Gemeinschaft der Heiden symbolisieren.
Auch auf der rechten, der „bösen“ Seite, thront in der Mitte eine Figur: der dämonische Antichrist. Zu der Zeit, als das Schottenportal gebaut wurde, hatte dieser Antichrist für viele Menschen eine ganz klare Identität: hier sieht man Sultan Saladin, den großen Gegenspieler des Richard Löwenherz während des Dritten Kreuzzugs, der den Christen 1185 die Heilige Stadt Jerusalem wieder wegnahm. Der steinerne Verweis auf die Kreuzzüge hat viel mit der Geschichte Regensburgs zu tun. Da die Steinerne Brücke jahrhundertelang den einzigen sicheren Donauübergang zwischen Ulm und Wien darstellte, sammelten sich im beim Zweiten und Dritten Kreuzzug die deutschen Heeresteile hier. Die Kreuzritter bestiegen in Regensburg die Schiffe, die sie donauabwärts bis ins Schwarze Meer brachten. Die Teilnehmer des Dritten Kreuzzugs konnten das fertiggestellte Schottenportal schon besichtigen und beteten hier um gutes Gelingen ihrer Unternehmen im Heiligen Land.
Rechts vom Antichrist sieht man einen flügellosen Drachen, der einen Mann halb verschlungen hat. Er ist das Wappentier des Antichristen und zermalmt im Rachen einen verfolgten Christen. Der große Greif rechts von Saladin ist eine mystische Kreatur aus Adler und Löwe und symbolisiert den Tod und das Totenreich. Unter dem Thron Saladins läuft ein flügelloser Drache. Er wird in der Apokalypse genannt und leckt an einer Kugel, die die Erdkugel symbolisieren soll. Die Vorstellung von der Erde als Kugel war schon im Mittelalter geläufig, setzte sich aber erst später vollständig durch.
Das Portal der Schottenkirche kann man als „Bibel in Stein“ verstehen, als Predigt an das Volk in Bildersprache über die Apokalypse und das Jüngste Gericht. Alle dargestellten Figuren und Symbole finden sich in der Geheimen Offenbarung des Johannes im letzten Buch des Neuen Testaments. Ist dies die Bedeutung des Schottenportals? Wir wissen es nicht. Die Lebenswelt und Symbolik der Menschen des 12. Jahrhunderts ist uns fremd geworden. Aber es ist eine Deutungsmöglichkeiten dieses beeindruckenden Bauwerks.