Das Freiburger Münster ist ohne Zweifel das Wahrzeichen der Schwarzwaldmetropole. Stolz überragt der 116 m hohe Münsterturm mit seinem filigranen Turmhelm die Gebäude der Altstadt. Das Münster ist berühmt für seine besonders schönen mittelalterlichen Glasfenster und seinen vielfältigen Wasserspeier. Doch es gibt noch unendlich viel mehr an diesem Bauwerk zu entdecken, das bis heute das Herz der Stadt ist und seit Jahrhunderten auch in das Alltagsleben der Freiburger eingebunden ist.
Wer sich nämlich durch den Haupteingang auf den Weg ins Münster macht, stößt noch vor der prächtigen Vorhalle auf die Stadtmaße, die an den Turmstrebepfeilern angebracht sind. Am linken Pfeiler fallen dem Besucher auf der Stirnseite einige seltsame Gravuren mit römischen Jahreszahlen ins Auge: hierbei handelt es sich um Brotmaße. Brot war im Mittelalter und auch noch lange danach das wichtigste Nahrungsmittel der Bevölkerung. Die Ernährungskosten machten mehr als Dreiviertel des Haushaltseinkommens eines normalen Stadtbewohners aus, und das meiste davon wurde für Getreideprodukte wie Brot und Brei ausgegeben. Das mittelalterliche Brot hätte unsere modernen Gaumen und Zähne durchaus vor Herausforderungen gestellt: es war oft hartes Fladenbrot, aus Roggen, Hafer und Gerste gebacken. Das viel weichere und feinere Weizenbrot war sehr teuer und daher den reichen Bürgern vorbehalten. Da das Getreide für Brot also eine wichtige Ware war, wurde der Getreidepreis von der Stadt streng reguliert: deshalb sind hier am Münster Brotmaße angebracht. Die längliche Brotform sind sogenannte Spitzwecken, die runde Form kleinere Brote, also Wecken. Diese Brotgrößen mussten von den Bäckern eingehalten werden. In Zeiten, in denen das Getreide teuer war, mussten kleine Brötchen gebacken werden, bei gleichem Preis. Der linke, große Spitzwecken, wurde 1270 als Standardmaß festgelegt. Die Getreideernten waren gut und so bekam man für seinen von der Stadt regulierten Brotpreis ein großes Brot. Rechts daneben sieht man die deutlich kleineren Brotmaße ab dem Jahr 1315. Die Zeiten waren schlechter geworden. Tatsächlich waren die Jahre 1315-1319 ausgesprochen kalt und von nassem Wetter geprägt, weshalb die Getreideernten sehr schlecht ausfielen. Daher musste die Brotgröße reduziert werden – man bekam also für sein Geld deutlich weniger Brot. Darüber sieht man ein größeres, rundes Brötchen: im Jahr 1320 hatten sich die Ernten zumindest ein wenig erholt, so dass die Brotgröße wieder angepasst werden konnte.
Brotmaße gab es im Mittelalter überall in Deutschland. Aber nur in sehr wenigen Orten haben sie sich so hervorragend erhalten wie in Freiburg.
Wenn man nun die Innenseite der linken Turmstrebepfeilers betrachtet, findet man noch einige andere Stadtmaße, die um 1300 hier angebracht wurden: ganz links sieht man einen kurzen senkrechten Strich neben einem großen, runden Kreis. Dieses Maß beschreibt den „Sester“, den man sich vorstellen muss, wie einen großen Topf oder eine Trommel. Mit dem Sester wurde Getreide abgemessen. Der Freiburger Sester fasste knapp 23 Liter.
In der Mitte der Wand befindet sich eine waagrechte, metallgefasste Vertiefung. Das ist ein Längenmaß, die Freiburger Elle, die 54 cm lang ist. Alles, was wir heute als Meterware kaufen würden, wie zum Beispiel Stoff, wurde damals in Ellen abgemessen. Der Name Elle leitet sich von dem Knochen Elle zwischen Handgelenk und Ellenbogen ab.
Rechts von der Elle, etwas weiter oben an der Wand, sieht man ein trapezförmiges Maß. Das ist der Zuber, ein wichtiges Hohlmaß für Handel. Zuber wurden aus Holz gemacht und hauptsächlich dazu verwendet, etwas sperrige Waren in größeren Mengen zu verkaufen, zum Beispiel Holzkohle. In einen Freiburger Zuber passten etwas über 182 Liter.
Im Mittelalter hatten fast alle Städte ihre eigenen Maße. Die Namen waren überall gleich, aber die Größen unterschieden sich stark von Ort zu Ort. Es gab keine allgemeingültigen überregionalen Maße. Deshalb mussten die Stadtmaße auch immer an Orten anbracht sein, die jeder leicht finden konnte, auch solche Menschen, die sich in der Stadt nicht gut auskannten. So findet man die Maße in vielen Städten an den Rathäusern, oder wie bei uns, an der Hauptkirche.
Diese Maße galten lange in Freiburg. Es gab zwar mit dem Übergang an das Großherzogtum Baden einige Reformen und Änderungen, aber erst die Einführung des metrischen Systems 1872 führte zur endgültigen Abschaffung sämtlicher Freiburger Maße.
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